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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Taxonomie der winterharten Opuntien



Uwe/Eschlikon
12.12.2006, 09:44
Hallo an alle

Ein heikles Thema, diese Taxonomie.
Gerade bei den in Europa im Handel erhältlichen winterharten Opuntien herrscht ein Chaos sondergleichen...anders kann man es nicht ausdrücken. Das "Taxonomie-Chaos" macht leider auch nicht Halt bei den Händlern und Züchtern.
Wenn zwei falsch bezeichnete Arten gekreuzt werden und die Neuzüchtung dann auch noch einen eigenen Fantasienamen erhält, dann ist das taxonomisch fatal.
Dazu kommt, dass zB. Lyman Benson, Autor des berühmten Buchs "The Cacti of the United States and Canada" gleich dutzendweise Bilder von Opuntien mit falschen Namen versieht und somit noch für mehr Verwirrung stiftet. Und er ist damit nicht der Einzige!

Ich habe div. Opuntienpflanzen bei Händlern in Deutschland und in der Schweiz gekauft. Dazu etliche Sorten als Samen bestellt, ausgesäht und daraus viele Arten aufgezogen. Ergebnis: von 10 Arten waren 7-8 falsch beschriftet! Geholfen hat mir D.Ferguson, Kurator am Rio Grande Botanic Garden in Albuquerque/New Mexico. Er hat sämtliche Arten auf Grund meiner Fotos bestimmen können. Und er ist einer der besten Kenner der Opuntien in Nordamerika, wenn nicht sogar der beste.

In der Natur ist es mitunter sehr schwierig, die einzelenen Arten zu bestimmen, da bei gewissen Arten viele Übergangspopulationen gibt. Manchmal existiert sogar fast eine lückenlose Mischreihe, zB. bei O.lindheimeri und O.engelmannii. Es gibt dann eben Individuen, die entweder die eine noch die andere Art charakterisieren.

Einige Beispiele für taxonomische Irrtümer:

Opuntia fragilis
Es gibt keine rotblühenden Opuntia fragilis-Arten.
Alles was unter O.fragilis verkauft wird und rot blüht, ist eine Kreuzung mit O.polyacantha, O.rutila u.a. und müsste entsprechend gekennzeichnet werden. Eine O. fragilis "Freiberg" ist keine fragilis mehr, höchstens noch eine O. x fragilis :wink:

Opuntia humifusa
Für O.humifusa kursieren immer noch Namen wie
- O.compressa
- O.rafinesquei (was keine andere Bezeichnung, sondern in Wirklichkeit eine O.macrorhiza ist)
- O.vulgaris (und diese Bezeichnung wird auch für O. ficus indica verwendet?!)
- O.mesacantha

Opuntia phaeacantha
Ich behaupte, die meisten Pflanzen, die als O.phaeacantha bezeichnet sind, sind andere Arten. O.phaeacantha ist nämlich eine Art "Sammelname" für alles, was so ähnlich aussieht. Genetisch sind es teils ganz versch. Pflanzen, was aber nur bei einer Chromosomenzählung festgestellt werden kann. O.phaeacantha ist eine flachwachsende, am Boden kriechende Art mit relativ kleinen Gliedern und verholzt nicht. Die Blütenfarbe ist meist gelb. Sie ist auch nicht so nässeverträglich, wie gerne behauptet wird.
- O.phaeacantha var. camanchica = O.camanchica (oder O.caesia?)
- O.phaeacantha var. discata = O.engelmannii
- O.phaeacantha var. major = O.dulcis
Und viele als O.phaeacantha var. phaeacantha bezeichnete Individuen sind in Wahrheit O.mackensenii, denn O.mackensenii ist nässetoleranter. Die Blüten beider Arten sind sich sehr ähnlich. Die Triebe aber sind bei O.mackensenii heller (weniger blaugrün) und haben hellere Dornen. O.mackensenii hat 22 Chromosomen weniger und daher taxonomisch eindeutig eine eigene Art. Ebenfalls änlich ist O.tortispina. Letztere ist aber seltener und hat grössere Triebe und wächst aufrechter (wie zB. O.marcorhiza oder O.cymochila)

Opuntia basilaris var. nana
Es gibt keine gelb blühenden O.basilaris-Arten. Diese Art blüht immer rosa bis rötlich, sehr selten weiss.
- O.basilaris var. nana = O.aurea
- O.basilaris var. aurea = O.aurea
O.aurea blüht meist gelb, es gibt aber auch rosa oder rot blühende Arten (Einmischung in O.polyacantha?)

Man könnte hier noch seitenweise über die Taxonomie "streiten", aber ein paar Irrtümer sollten doch langsam verschwinden, nicht zuletzt, weil man heute in der Lage ist, die Arten auch genetisch auseinander halten zu können.

Gruss, Uwe

magnificus
12.12.2006, 13:55
Hallo Uwe,

wenn Deine Aussage zutrifft, dass es keine gelbblühenden Biberschwänze gibt, um welche Art handelt es sich dann bei der unter O. basilaris var. brachyclada verbreiteten, welche als gelb-rot blühende Varität angegeben wird ?

Übrigens, im Haage-Katalog ist eine Opuntia basilaris v. aurea "gelbe Blüte" gelistet - auch falsch ?
Dass es sich bei Opuntia basilaris 'Berlin', nach der Abbildung zu urteilen um eine O. basilaris var. wigginsioides handeln muss, ist selbst mir als Laien offensichtlich. :D

Gruß Uwe

Uwe/Eschlikon
12.12.2006, 14:22
Hallo


im Haage-Katalog ist eine Opuntia basilaris v. aurea "gelbe Blüte" gelistet - auch falsch ?
Ja, defintiv falsch. Das ist ein O.aurea. Die Blüte von O.aurea zeigt in der Mitte eine grüne Stigmata, O.basilaris hat immer eine weisse Stigmata. Und die Chromosomenanzahl ist ebenfalls anders (lässt sich aber nicht so einfach zählen :D), daher ist O.aurea keine Varietät von O.basilaris


um welche Art handelt es sich dann bei der unter O. basilaris var. brachyclada?
Das weiss ich nicht. O.basilaris var. brachyclada/humistrata ist eigentlich auf ein enges Vorkommen begrenzt (San Bernadino Mountains). Jedenfalls sind keine gelbblühenden natürlichen Varitäten bekannt. Vielleicht eine Züchtung...?

Gruss, Uwe

electroslugs
12.12.2006, 15:53
tach auch,



Opuntia humifusa
Für O.humifusa kursieren immer noch Namen wie
- O.compressa
- O.rafinesquei (was keine andere Bezeichnung, sondern in Wirklichkeit eine O.macrorhiza ist)
- O.vulgaris (und diese Bezeichnung wird auch für O. ficus indica verwendet?!)
- O.mesacantha


äähhh... das verwirrt mich jetzt zusätzlich, weil ich seit diesem jahr auf suche nach einer opuntia compressa bin. das saatgut, das ich erworben habe ist nicht aufgegangen, dafür habe ich aber zwei ableger auf der kakteen & sukkulenten börse dieses jahr in essen geschenkt bekommen.

der händler nannte mir die namen opuntia humifusa, sowie opuntia humifusa v. robustior.
dann ist die o. compressa also allem anschein nach o. humifusa, und o. humifusa v. robustior existiert deiner aussage aus einem anderen thread offensichtlich nicht???

kann ich die o. humifusa (o. compressa) nun zum pfropfen für andere kakteen verwenden oder nicht ???

Uwe/Eschlikon
12.12.2006, 16:15
@electroslugs

Ob O.humifusa ein gute Pfropfunterlage ist oder nicht...keine Ahnung.
Vom Pfropfen verstehe ich nichts.

Ein O.humifusa var. robustior ist auch bloss ein Fantasiename.

Zu O.compressa:
Ursprünglich wurden Opuntien vom Green Lake County/Wisconsin, die besonders hart waren, als O.compressa gesammelt und auch nach Europa gebracht. Es handelte sich aber um Opuntia pottsii.
Später fand man ähnlich aussehende Pflanzen in angrenzenden Bundesstaaten (zB. Missouri), welche auch als O.compressa nach Europa kamen, diese waren aber O.humifusa. Später kursierten zu hauf O.compressa in den Sammlungen, die aber alle identisch mit O.humifusa waren.
O.pottsii hat kleinere Triebe, die oft dicht zusammen (gruppiert) aus dem Haupttrieb wachsen und mehr aufrecht sind. O.humifusa "kriecht" hingegen dem Boden nach, ist viel weiter verzweigt und liegt im Winter völlig flach. Zudem ist O.humifusa nur wenig bedornt, manchmal nur 1 oder 2 Dornen pro Trieb. Beide Arten blühen aber gelb, O.humifusa auch mit rotem Kelchinnern. O.compressa könnte also auch O.pottsii sein, je nach Aussehen.
Ich weiss, verwirrend... :D

Gruss, Uwe

electroslugs
12.12.2006, 16:33
tach auch,


...O.humifusa "kriecht" hingegen dem Boden nach, ist viel weiter verzweigt und liegt im Winter völlig flach. Zudem ist O.humifusa nur wenig bedornt

es ist zwar winter, aber flach liegen tut die nicht. vermutlich deshalb, weil es im winterquartier zwar kühl ist, aber nicht gefriert :D

die beiden ableger haben so betrachtet eher kleine kaum sichtbare haare, die sich als dornen tarnen und fürchterlich nerven können wenn man nicht aufpasst wo man die anfasst.

ich weiss, verwirrend :D

grüsse

Anonymous
12.12.2006, 19:29
Der Beitrag von Uwe/Eschlikon ist sehr gut. trotzdem möchte auch eine andere Ansicht aufzeigen. Als Produzent von winterharten Kakteen verwende ich, bewusst nicht jedes Jahr den neusten Namen und auch dieses hat auch seinen guten Grund.1.Welcher Fachmann ist der richtige, denn auch die sind sich nicht einig man brauch nur in vielen Büchern nachschlagen 2. Welcher Liebhaber kennt sich dann noch aus und woher weiß er, welchen Namen ich vor 5 Jahren noch verwendet habe, wenn er sich später über eine bestimmte Sorte nochmals informiert.3.Ich persönlich betrachte die meisten meiner Pflanzen als Klone, den mit dem selben berechtigten Namen gibt es vielfach schon von Natur aus viele verschiedene Pflanzen(Klone). Jeder dieser Klone hat Eigenschaften und diese versuche ich zu ergründen so das der Liebhaber wertvolle Tips erhält.4. Es ist schön, die Pflanzen ändern ihre Eigenschaften nicht, auch wenn sich der Namen ändert, allerdings wissen wir oft nur einen kleinen Teil von den Pflanzen auch wenn dieser Teil groß scheint. 5.Es gibt sinnvollere Dinge für mich als nur dem neusten Namen hinterher zu hechten und Chromosomen zählen zu lassen. 6.Es ist gut das es Leute gibt die sich damit befassen und es sind vielfach echte Profi's. Man kann aber trotzdem einen wunderschönen Kakteengarten haben, ohne auf dem neusten Stand der Taxonomie zu sein.

Zu O. basilaris var. brachyclada, es mag sein das diese Name falsch ist dennoch ist diese Pflanze sehr gut winterharte (Im letzten Winter haben mehrere Hundert Pflanzen draussen ohne Regenschutz ohne Probleme überlebt und die Ausfallquote liegt unter 1%, und das bei 3Monaten Dauerfrost) und diese Erfahrung hat sich auch schon in den Jahren zuvor gezeigt mit Tiefsttemperaturen unter -25°C und bei nassen Schlechtwetter-Perioden im Herbst und Winter. Der Wuchs ist ähnlich einer O. fragilis und die Blühwilligkeit ist gut und ich kann sie jedem Liebhaber empfehlen auch mit falschem Namen den auch die Verwendung ist sehr vielfaltig z. B. ein Kakteengarten, als Kübel.- oder Schalenpflanze

Michael Wolf
12.12.2006, 20:43
kann ich die o. humifusa (o. compressa) nun zum pfropfen für andere kakteen verwenden oder nicht ???

Klar doch: http://www.cactus-art.biz/technics/Grafting_on_opuntia_compressa_index.htm
hab das selbst noch nicht probiert, werde es aber nächstes Jahr mal versuchen.

magnificus
12.12.2006, 21:37
Der Verlockung den Expertenstreit am schwelen zu halten, in dem ich mit der O. basilaris var. brachyclada noch etwas Öl ins Feuer gieße, scheint zu günstig, als ich darauf verzichten könnte.:D

Erst einmal Danke an Uwe/Eschlikon, der mich darauf aufmerksam machte, dass es sich auf Grund der gelben Blütenfarbe bei meiner Pflanze um eine Hybride handeln muss.Ein Vergleich mit der echten Brachyclada zeigt auch deutliche Unterschiede im Habitus.

Brachyclada am Standort (http://calphotos.berkeley.edu/cgi/img_query?stat=BROWSE&query_src=photos_flora_sci&where-genre=Plant&where-taxon=Opuntia+basilaris+var.+brachyclada)
Meine Falsche (http://www.bildercache.de/bild/20061212-191430-15.jpg)

Auf http://www.semper-vivum.de/produktansicht/kakop17/ wird diese Planze als Opuntia cv. Sunny Girl bezeichnet und angemerkt:
"Dies ist wohl die attraktivste kleinwüchsige winterharte Opuntia die in Kultur ist: Die gelben Blüten besitzen eine apricotfarbene Mitte und öffnen sich zahlreich. Die Blätter sind bläulichgrün und brechen nicht so leicht ab, wie bei so mancher O. fragilis Form. Die Pflanze ist unter O. basilaris brachyclada, sowie unter O. aurea in Kultur. Ich vermute dass die Pflanze durch die Kreuzung beider Arten oder evtl. auch mit O. fragilis entstanden ist."

Auffallend war, dass diese Sorte bei mir bereits ab Ende August begann zu schrumpeln, während die "Compressa" zu der Zeit noch gut im Saft stand. Den lobenden Worte von Hans Graf wird sie hoffentlich im kommenden Frühjahr gerecht werden - vorausgesetzt es ist genau diese Falsche die er meint und nicht eine falsche Falsche.

Da es eine echte Brachyclada gibt, sollte der Name doch auch für diese exklusiv verwendet werden.

Uwe/Eschlikon
13.12.2006, 09:29
@magnificus


Der Verlockung den Expertenstreit am schwelen zu halten...
:lol: nein, nein...streiten müssen wir nicht, Informationsaustausch nenne ich das.

@H.Graf
Es stimmt, man sollte sich nicht zu sehr an den Namen klammern. In erster Linie geht es ja darum, schöne, gesunde, interessante Pflanzen zu kultivieren und Freunde an ihnen zu haben!

Als ich mit den winterharten Sukkulenten anfing, hat mich der Name nur am Rande interessiert. Es ergab sich ein Sammelsurium aus Kakteen, Crassulas, Agaven und Yuccas. Nach einigen negativen Ausfällen, einigen positiven Überraschungen im Garten und mehrfachen Reisen durch den Süden und Südwesten der USA, begann ich mich für die Herkunft der Pflanzen und deren Klima am Originalstandort zu interessieren. Nur wenn man die Lebensbedingungen der Pflanzen kennt, dann versteht man auch die Pflanzen selbst. Das Klima und die Bodenbeschaffenheit sind dabei das A und O. Doch dann verwirrte mich die Taxonomie, besonders diejenige der Opuntien. Wie soll ich eine Pflanze verstehen, wenn ich nicht sicher sein kann, wie sie heisst und woher sie stammt???

Man bestellt Samen einer "Opuntia stricta - winterhart" oder man bekommt eine Opuntia macrorhiza "Apricot" geschenkt oder man kauft in einer Fachgärtnerei (spezialisiert auf Kakteen) eine Opuntia basilaris "nana"...und erfährt, alles falsch!
(O.stricta ist nicht winterhart, die Samen waren eine andere Art; die O.macrorhiza "Apricot" ist ein O.cymochila; und die basilaris "nana" ist, wie schon erwähnt, eine O.aurea)

Ok, es wächst was wächst, und was nicht wächst, wird ersetzt, basta!
Würde mich jetzt die Herkunft und die Namen nicht interessieren, hätte ich ja immer noch die Freude an sich, welche bleibt.
Aber das Hobby ist auch Passion. Und darum versuchte ich via Internet und via Uni-Bibliothek Zürich an möglichst viel Info-Material heran zu kommen. Dabei merkte ich bald einmal, wie widersprüchlich die Angaben bezüglich der Namensgebung, der Winterhärte und der Herkunft der Arten waren. Zum Glück besitzt die Natur immer auch eine Logik, die im Detail sogar absolut vollkomen ist (man denke nur an die Vererbungslehre resp. an die Genetik).

Es stimmt wirklich, die Taxonomie ist eine Krux, an die man sich nicht zu sehr hängen sollte. Aber wenn man bei 2 versch. Händlern die gleiche Pflanzenart mit unterschiedl. Namen im Angebot sieht...? Irgendwie befriedigt mich dann das doch nicht so ganz :wink:

Gruss, Uwe

Anonymous
13.12.2006, 15:28
Lieber Uwe,

ich habe mich über deine Antwort sehr gefreut, deine Antwort war sehr gut und alles was ich bisher von Dir gelesen haben hat einfach "Hand und Fuß". Ich möchte Dich einladen uns zu besuchen für die Unterbringung würde ich sorgen, denn ich würde gerne mit Dir einen Erfahrungsaustausch unter Vier Augen führen, wenn ja dan scheibe mir einfach eine Mail info@kakteengarten.de.

sonorafan
15.12.2006, 21:14
Hallo,

ich kann das mit dem taxonomischen Wirrwar nur bestätigen: So verkauft Uhlig etliche Arten Opuntia rhodantha, wobei es diese Art gar nicht gibt und es sich dabei um Opuntia erinacea utahensis handeln soll.

Stimmt das?

Und was ist der Unterschied zwischen Opuntia erinacea und Opuntia erinacea var. utahensis? Ist das das gleiche oder wieder was anderes? Und dann ist plötzlich wieder die Rede von Opuntia polyacantha var. erinacea, was aber eigendlich auch nur Opuntia erinacea var. utahensis sein soll.

Ich blicke da nicht durch, vor allem weil dann noch in Büchern Bilder von Opuntia erinacea var. ursina auftauchen, wobei es sich ebenfalls um Opuntia polyacantha var. erinacea handelt.

Also: Sind die rodanthas tatsächlich in wirklichkeit erinaceas (utahensis) und wirklich fast so winterhart und unverwüstlich wie die fragilis???

Uwe/Eschlikon
18.12.2006, 10:49
@sonorafan

Verschiedene Kakteenkenner und Sammler haben in den letzten Jahren/Jahrzehnten eine Unterscheidung zwischen O.polyacantha und O.erinacea gemacht.
Sowohl genetisch wie auch von äusseren Merkmalen her werden diese beiden Arten inzwischen aber wieder zusammengefasst.

Man unterscheidet grob:
O.polyacantha var. polyacantha / rufispina
O.polyacantha var. erinacea / ursina (=O.erinacea)
O.polyacantha var. hystricina (= O.hystricina)
O.polyacantha var. juniperina (= O.sphaerocarpa)
O.polyacantha var. rhodantha (= O.rhodantha)
O.polyacantha var. utahensis (= O.utahensis)

Die "härteste" ist die Unterart var. polyacantha, gefolgt von der var. juniperina und var. utahensis. Letztere beiden kommen vor allem in den Bergregionen im Süden der USA vor, var. polyacantha hingegen ist bis nach Kanada hinauf verbreitet. Die var. hystricina ist sehr variabel und es existieren viele Zuchthybriden unter diesem Namen, die aber teils nässeempfindlich sein können. Weniger winterhart ist var. erinacea und am empfindlichsten gilt var. rhodantha, weil diese wärmere Standorte besiedelt und generell die "Tieflandvariante" darstellt.
Der Name "var. ursina" ist eine Variante von var. erinacea mit besonders haarförmigen Dornen, wobei dies taxonomisch nicht eindeutig ist.

Von allen polyacanthas gibt es div. Übergangsformen von einer Unterart zur anderen, je nach regionaler Überschneidung oder je nach Höhenstufe.
Findet man zB. im Grasland eine var. rhodantha, so kann es nur wenig entfernt in den Hügeln/Bergen die var. erinacea geben und dazwischen Übergangspopulationen.

Manchmal hat man eine typische Pflanze einer Art und manchmal hat man eben eine, die man nicht eindeutig zuordnen kann. Aber der Name besteht ja nur aus leeren Zeichen, die Pflanze hingegen ist ein Individuum, andem wir uns erfreuen können.

Gruss, Uwe

sonorafan
22.12.2006, 12:41
Hallo Uwe,

bei Uhlig Kakteen werden diverse Sorten von Opuntia rhodantha verkauft, wie z.B. pisciformis, spinosior usw.

Laut dem Standardwerk von Kümmel/Klügling sollen diese als sog. Opuntia rhodantha bezeichneten Pflanzen aber letztlich nichts anderes als Opuntia erinacea utahensis sein. Und in Bergregionen wachsen und dabei noch besonders hart sein sowie besonders tauglich für Mitteleuropa.

Du aber behauptest, dass rhodantha die empfindlichen Tieflandopuntien sind.

Also wer hat nun recht? Sind die bei Uhlig zum verkaufstehenden rhodanthas womöglich gar keine?

Es scheint wohl so, dass man sich auf keine einzige Angabe von irgendwoher verlassen kann und nur eigenen Erfahrungen vertrauen darf.

Als "Anfänger" orientiert man sich ganz automatisch am Standardwerk von Kümmel/Klügling. Wie es scheint, ist das Wissen darin wohl schon etwas überholt.

Sicher kann der Laie ohne Mühe eine niedrig liegende humifusa von einer haarigen ursina unterscheiden, aber wenn es darum geht, Unterschiede zwischen polyacantha, utahensis, erinacea oder rhodantha zu ermitteln, wird es schon komplizierter. Hier erscheint das Werk von Kümmel doch noch verbesserungswürdig.

Ich finde, wenn Du dieses profunde Wissen hast, solltest Du ein neues Standardwerk herausgeben. Sonst geht Dein Wissen verloren.

Anonymous
22.12.2006, 13:43
Hallo Sonorafan

Leider sind die Literaturangaben sehr widersprüchlich, was die Einteilung von O.polyacantha, hytricina, erinacea, rhodantha usw. angeht.
Je nachdem, wer welche Quellen benützt, interpretiert es so oder dann eben anders. Erschwerend kommt dazu, dass es viele Übergangsformen in den Vorkommensgebieten gibt, wo sich die einzelnen Arten überschneiden. Es gibt also Individuen, die weder eindeutig eine var. utahensis noch eine erinacea noch ein rhodantha sind. Und dann?

Diese Website http://plants.usda.gov/java/profile?symbol=OPPOE zeigt einige gute Fotos. Auch sonst zum Stöbern sehr brauchbar :wink:

O.rhodantha var. spinosior ist meines Wissen nichts anderes als ein Synonym für O.polyacantha var. polyacantha, und O.rhodantha var. pisciformis ist ein Kultivar, müsste korrekt eher O.polyacantha Cv "pisciformis" (oder O.polyacantha var. rhodantha Cv. "pisciformis")heissen.

Als "Anfänger" sollte man schon nicht zu sehr auf den Namen herum reiten :D. Allerdings ist ärgerlich, wenn man eine Pflanze unter einem bestimmten Namen kauft und es stellt sich im nachhinein heraus, dass dieser nicht korrekt ist (mir einige Male passiert, auch bei Bestellungen von seriösen und bekannten Händlern; möchte jetzt aber keine Namen nennen).

Mein "Wissen" (das nicht soooo gross ist) geht schon nicht verloren. Es kommt zudem immer wieder neues dazu :wink:
Und ohne Hilfe von amerik. Partnern und Freunden hätte ich nicht viel mehr Anhnung als die meisten anderen Sammler. Aber das Hobby der winterharten Kakteen interessiert mich wirklich sehr und darum sammle ich alle Infos darüber. Das Buch von Kümmel habe ich auch. Die dort gesammelten Infos stellen auch nur schon zuvor gesammeltes Wissen dar, dass eben schon damals widersprüchlich und verwirrend war.

Gruss, Uwe

schimanski
22.12.2006, 22:23
Servus Uwe,

log dich mal ein. ;)

Aber wo wir gerade dabei sind. Ich habe vor 1 Jahr eine O. greenei aus dem BG Mainz erhalten, die ich aber so nirgens als gültigen Namen finden kann.
Nach etlicher Recherche ergibt sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es sich um O. macrorhiza handelt. Hast du/oder habt ihr dazu eine Ahnung, weil dieser Name def. nicht gültig ist.

Leider hat meine Pflanze bis jetzt noch nicht geblüht, da es sich um einen Sämling handelt, der im letzten (diesen?) Sommer erst sein erstes voll ausgebildetes Glied bekommen hat.

Kurzum: Was isses? Gefallen tut sie mir allemal und zumindest frosthart isse auch (Winterhärteexperimente folgen wenn Stecklinge zur Verfügung stehen)

Viele Grüße und frohes Fest

Anonymous
23.12.2006, 12:15
Hi Uwe,

na, ich werde nächstes Jahr ein Busrundreise nach Wyoming, South Dakota, Yellowstone via Cheyenne, Badlands und Cody machen.

Vielleicht werde ich vor Ort ja mal in irgendeiner Wiese oder an einem Felsen in einem etwas trockeneren Gebiet die eine oder andere Opuntie sehen und ggfs. "mitgehen" lassen können.

Zur Weitervermehrung. Wahrscheinlich sind die Opuntien aber gar nicht so zahlreich dort und womöglich werde ich gar keine zu Gesicht bekommen.

Wiedem auch sei: Ich habe es aufgegeben, Taxonomisches aus Büchern zu ermitteln. Am besten man experimentiert mit den Pflanzen einfach so herum und hat seinen Spaß.

Gleichwohl: Ich finde, dass es an der Zeit ist, mal ein neues Standardwerk über Winterharte Kakteen in Umlauf zu bringen und im Eigenverlag zu produzieren.

Jetzt, wo im Zuge der Klimaerwärmung wahrscheinlich auch ungünstigere Gegenden (Mittelgebirgsraum, Bayern, Sachsen) immer mehr kakteentauglich werden, und immer mehr Deutsche auf dieses Thema stoßen, sollte man doch mal all das neue Wissen der breiten Masse zugänglich machen.

Ich zum Beispiel habe mal in einem Gartenmarkt vor Jahren ein sehr hartes Exemplar gekauft, was kaum umzubringen ist. Es ist keine fragilis und sieht nach erinacea aus. Aber mir ist es trotz Internetrecherche, Fotovergleichen und Lektüre von Büchern nicht im Ansatz gelungen, eine vernünftige Bestimmung vorzunehmen. Vielleicht sollte man hier im Kakteenforum eine neue Rubrik aufmachen, in der man Beiträge zum Verfassen eines neuen Werkes sammeln könnte?

:jo:


Aber vermutlich ist das eine naive Idee.

Uwe/Eschlikon
03.01.2007, 08:56
Hallo und ein gutes neues Kakteenjahr 2007;)

@Rooman

O.greenei ist eine Varietät von O.macrorhiza.
D.Ferguson schreibt zu O.macrorhiza:
"...on the Great Plains to the base of the Rockies, from the west Texas up to Wyoming and Nebraska, mostly in sandhills areas, is var. greenei. This is very similar, but generally a bit duller, often bluish in pad color, and there are generally more spines, but these are mostly limited to the upper areoles. It is very difficult to decide where one variety ends and the other starts, but there is no doubt that a plant from Denver or Roswell is very different looking from a plant from Eau Clair or Dallas."

Bei vielen sich hier in Europa im Umlauf befindlichen Arten wird es kaum mehr möglich sein, eine genaue Bestimmung durchzuführen (ausser einer Gen-Analyse). Immer wieder neue Züchtungen/Kreuzungen verwischen die ursprüngliche Herkunft zusehends. Dazu kommt, dass im hiesigen Klima die Arten teils ein ganz anderes Aussehen bekommen. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, weil ich die Möglichkeit besitze, identische Klone an zwei versch. Standorten auszupflanzen (einmal im Unterland und einmal in den Zentralalpen auf 1200m Höhe, bei ähnlichen Bedingungen wie am Originalstandort). Die Bedornung zB. ändert sich mit zunehmender Höhe markant, denn das Dornenkleid ist nicht nur Frass-, sondern auch ein ausgezeichneter UV-Schutz;)

Gruss, Uwe