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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : selbstfertile Kakteen



Kaktussy
30.04.2007, 21:22
Ich hab da mal eine Frage...
Letztes Jahr, nachdem mein Echinofossulocactus lloydii geblüht hatte, hat er Früchte gebildet. Da ich nur diesen einen Echinofossulocactus habe, geh ich mal davon aus, dass er selbstfertil ist.
Jetzt hab ich die Samen ausgesät, sind auch gekeimt.
Haben diese Sämlinge dann exakt dasselbe Erbgut wie der "Vater"?
Irgendwie finde ich das irritierend, es würde ja bedeuten, dass sich das Erbgut dieser Pflanzen nie verändert...
Kennt sich damit jemand aus?
LG, Ellie

BerndF
02.05.2007, 00:58
Moin Ellie,


Irgendwie finde ich das irritierend, es würde ja bedeuten, dass sich das Erbgut dieser Pflanzen nie verändert...

Nicht ganz. Betrachtet es man von der klassischen Genetik aus (der olle Mendel mit seinen Erbsenzählereien aus der Schule ;-) ) ist es richtig, dass sich die Merkmale (jedenfalls rein theoretisch) nicht neu kombinieren.

Andere Mechanismen, die zu einer Veränderung des Erbgutes führen (Mutationen sind wohl die bekanntesten), funktionieren aber weiterhin. Also, die Nachkommen sind nicht 100% gleich der Mutterpflanze, aber lange nicht so unterschiedlich als wenn zwei unterschiedliche Eltern die Pollen und Samen im Spiel gehabt hätten.

Es bleibt spannend. Es gibt übrigens Arten in der Zoolgie (Gespensterschrecken bei den Insekten) von denen nur und ausschließlich Weibchen bekannt sind, die sich per Jungfernzeugung fortpflanzen. Da klappt scheinbar einiges mehr in der Genetik als man sich mit den klassischen Schulvorstellungen erklären kann.

Viele Grüße

Bernd

eyriesii
02.05.2007, 11:17
Da ich nur diesen einen Echinofossulocactus habe, geh ich mal davon aus, dass er selbstfertil ist.
Das muß so nicht unbedingt sein. Da die Kakteenfamilie noch relativ jung ist, sind die Gattungenbeziehungen auch noch recht eng, soll heißen, Kreuzungen/Hybridisierungen sind immer möglich, sowohl in der Natur als auch bewußt herbeigeführt.
Echinofossulocactus (Stenocactus) gehört zum Tribus Cacteae. Es sehr wahrscheinlich, daß Kreuzungen mit anderen Gattungen dieses Tribus möglich ist.

Selbstfertile Gattungen gibt es natürlich auch, spontan fallen mir da Vertreter der Gattung Cleistocactus ein.

Kaktussy
02.05.2007, 11:49
Danke für eure Antworten! Finde das Thema echt spannend und kann es kaum erwarten bis die Sämlinge größer sind.
Werde mal verusuchen herauszufinden, ob E. selbstfertil sind.

Tatjana
02.05.2007, 21:14
Vielleicht sehe ich das falsch, aber die Cacteae vermehren sich nicht durch die einfache Zellenteilung. Sie produzieren doch die männlichen Zellen(Pollen) und die weiblichen Zellen, die befruchtet werden sollen. In verschiedenen Kombinationen. Sogar, wenn es sich dabei um die selbe Pflanze handelt.
Oder irre ich mich da?

eyriesii
03.05.2007, 08:44
Ein wenig schon. Natürlich sind die Cactaceae (Cacteae sind nur eine zusammengefaßte Gruppe von Gattungen innerhalb der Unterfamilie der Eigentlichen Kakteen oder Cactoideae) Samenpflanzen. Die meisten von ihnen können aber ihre Blüten nicht selbst bestäuben, sondern brauchen einen Artgenossen mit nicht identischen Chromosomensatz, d.h. es darf kein Klon sein.
Was die halben Chromosomensätze in den "Keimzellen" anbetrifft, so müßten die eigentlich immer identisch sein, wenn es da nicht diverse Mechanismen, wie z.B. Mutationen, gäbe, die dort bisweilen für Veränderungen sorgen.

Hartkerius
03.05.2007, 12:06
Es kommt vor, dass "Chromosomenäste" oder Stücke davon beim Verschmelzen der Keimzellen und beim "Herstellen" der Keimzellen vom einen zum anderen Chromosom wechseln. Damit könnte sich durchaus etwas ändern, auch ohne Mutation. Zum Beispiel:

R = Rezessiv / D = Dominant

Elterngeneration:

Keimzellen-Chromosom 1 (Samenanlage im Fruchtknoten):
RRRDDD

Keimzellen-Chromosom 2 (Pollen):
DDDRRR

Ohne Tauschen der Position ergibt das ein für alle sechs Merkmale gemischtes Chromosom in der reifen Zelle:

Kindergeneration 1:

a. (wie bei der Mutterpflanze):

RRRDDD
DDDRRR

Es könnte aber beim Verschmelzen auch zum Positionswechsel kommen, wobei es bei der Mischerbigkeit bliebe, nur anders auf die Chromosomen verteilt:

b.:

RDRDDD
DRDRRR

Daraus können nun verschiedene einfache Keimzellen-Chromosomen werden, wenn die doppelten Chromosomensätze beim Bilden der Keimzellen gespalten werden:

a. (wie bei der Mutterpflanze):
RRRDDD Samenanlage
DDDRRR Pollen

b.:
RDRDDD Samenanlage
DRDRRR Pollen

In der nächsten Kindergeneration könnte dann sowas rauskommen:

RRRDDD Samenanlage a.
DRDRRR Pollen b.

Schon wäre Merkmal 2 reinerbig rezessiv, z.B. weisse Blüte statt rot. Das ist keine Mutation, sondern nur ein Hin- und Herspringen vorhandener Gene.

Im übrigen gibt es Kakteen mit tetraploidem Chromosomensatz, d.h. mit zwei homologen Chromosomenpaaren pro Zellkern. Damit werden die Tauschmöglichkeiten enorm vergrössert!

Richtig was Neues kommt dabei allerdings nicht raus, aber es kann plötzlich ein Merkmal ausgebildet werden, das bei der Mutterpflanze nicht sichtbar war. Ob das aber der Population beim Überleben weiterhilft? Einen grossen Vorteil hat die Selbstfertilität aber doch: Es muss kein Pollenspender da sein, was etwa bei ungünstigen Wachstumsbedingungen ein enormer Vorteil sein kann, der den Nachteil der ausbleibenden Auffrischung des Genpools ausgleichen kann. Was nutzt es mir als Einzelpflanze, wenn der nächste Pollenspender so weit entfernt ist, dass keine Biene den Weg schafft...

Schöne Grüsse
Niko

Tatjana
03.05.2007, 19:37
Dein Beitrag ist super! Danke Niko!

RabanWolf
31.01.2008, 12:33
Hallöchen an Alle,
ich habe folgende Fragen zum Thema: Gibt es irgendwo eine Liste welche Kakteen selbstfertil sind? Kann man davon ausgehen das dann alle Kakteen einer Gattung diese Eigenschaft haben. Würde mich mal interessieren.

Vielen Dank schon mal

Grüße Uwe B.

Kaktusjo
31.01.2008, 14:13
Hallo Uwe,

ich kann dir zwar nicht sagen, ob es so eine Liste gibt aber bei folgenden Kakteengattungen bzw. Arten bin ich mir sicher, dass sie selbstfertil sind:

Melocactus
Copiapoa hypogoa
Epithelantha
Notocactus
Ferocactus glaucescens
Lophophora

Nicht selbstfertil sind meines Wissens:

Strombocactus
Astrophytum
Echinopsis
Ortegocactus
Obregonia

Im Zweifelsfall ausprobieren und abwarten, ob sich Früchte bilden.

Gruss Johannes

Lupus
31.01.2008, 14:39
Hallo,

es können auch Pollen von Kakteenarten, welche sich normalerweise nicht kreuzen lassen, als Katalysator wirken. Sprich, wenn man eine eigentlich nicht selbstfertile Art mit Pollen einer Art bestäubt, mit der sie nicht hybridisiert, kann (muß aber nicht) diese als Katalysator wirken und der Kaktus akzeptiert seine eigenen Pollen und setzt Früchte an.

Gruß,
Julian

Kaktussy
03.02.2008, 00:17
Ja, davon habe ich auch schon gelesen! Bei Astrophytum asterias wirkt der Pollen von Frailea asterioides als Katalysator, bei anderen Astrophytum-Arten funktioniert es auch, mit Pollen von bestimmten Arten.

Andreas75
03.02.2008, 15:49
Hallo!

Niko: Ein super Beitrag, so hab ich die Genetik gern :D!
Könntest du bitte verraten, welche Kakteen tetraploid sind? Sind das Hybriden oder echte Arten?
Habe vielen Dank ^^!

In der Selbstfertilität liegt auch der große Vorteil begründet, neue Gegenden (Inseln) schon mit nur einem Einzelexemplar kolonisieren zu können, und ein wunderbares Beispiel ist hier die (selbstfertile) Mammilaria prolifera, die ja auf Hispanola in der Karibik vorkommt, und da ihre eigene Varietät hat (v. haitiensis).

Grüße, Andreas

Lupus
03.02.2008, 16:29
Hallo,

is mir gerade eingefallen, gibt aber sicher noch mehr:
http://www.kakteenforum.de/showthread.php?t=5315&page=4

Gruß,
Julian

Hartkerius
04.02.2008, 10:05
Hallo Andreas,


Niko: Ein super Beitrag, so hab ich die Genetik gern !
Vielen Dank!


Könntest du bitte verraten, welche Kakteen tetraploid sind? Sind das Hybriden oder echte Arten?

Da fragst Du was... Ich kenne keine Auflistung, welche Kakteengattungen/-arten tetraploid sind. Das scheint auch nicht artabhängig zu sein, sondern mitunter standortabhängig bzw. klonabhängig, denn bei einem internen Workshop zur Datenbank des Botanischen Gartens Heidelberg ("Gartenbank") habe ich letzten Mittwoch gelernt, dass es von einer Art Klone mit diploidem, tetraploidem usw. Chromosomensatz geben kann, weshalb es in der Gartenbank ein eigenes Feld dafür gibt, welches für jede individuelle Pflanze spezifisch ausgefüllt werden kann, nicht aber für die Art. Von daher müsste sich eine Liste diploider bzw. tetraploider Kakteen eher auf Feldnummern beziehen als auf Arten.

Herzliche Grüsse
Niko

Euclid
22.02.2008, 21:47
....
ich habe folgende Fragen zum Thema: Gibt es irgendwo eine Liste welche Kakteen selbstfertil sind? Kann man davon ausgehen das dann alle Kakteen einer Gattung diese Eigenschaft haben. ...

Die Samenliste von Aymeric de Barmon (http://lapsyserre.free.fr/psy_liste/psyliste.html) enthält diese Information.

Nein man kann nicht davon ausgehen, dass alle Pflanzen einer Gattung selbstfertil sind. Zum Beispiel ist Turbinicarpus swobodae die einzige mir bekannte Art der Gattung, die selbstfertil ist.

(Sie war es. Von T. schmiedickeanus ssp. klinkerianus gibt es Standortformen, die selbstfertil sind. Die Liste von Aymeric übrigens auch so ganz interessant. Da werden zum Beispiel Samen einer Gattungshybride von E. coptogonus und Ferrocactus angeboten.)

Tron
23.02.2008, 14:02
Das muß so nicht unbedingt sein. Da die Kakteenfamilie noch relativ jung ist, sind die Gattungenbeziehungen auch noch recht eng, soll heißen, Kreuzungen/Hybridisierungen sind immer möglich, sowohl in der Natur als auch bewußt herbeigeführt.
Echinofossulocactus (Stenocactus) gehört zum Tribus Cacteae. Es sehr wahrscheinlich, daß Kreuzungen mit anderen Gattungen dieses Tribus möglich ist.

Selbstfertile Gattungen gibt es natürlich auch, spontan fallen mir da Vertreter der Gattung Cleistocactus ein.

Lophophora williamsii ist auch selbstfertil.

Grüsse von Jürgen