Hi Lars,
ich weiß ja nicht, wie alt Du bist - ich zähle mittlerweile 64 Lenze und hab mit der Pflege von Kakteen mit etwa 25 Jahren begonnen. Also ein klein wenig Erfahrung habe ich schon. Und auch meine Kakteen bringe ich regelmäßig - trotz behauptet total ungeeignetem Substrat - zum Blühen. Ich kenne leider Deine Bedingungen vor Ort nicht - ich muss mich leider mit einem westseitigen Fenster begnügen und da ist es für die meisten Kakteen sowieso schon grenzwertig, was das optimale Wachstum betrifft. Und nicht nur das, ich wohne in einem dicht bebauten Großstadt-Grätzel mit einem Haus gegenüber, das von dem Sonnenlicht auch noch einen großen Teil wegnimmt.
Und ich bemerke, dass meine Kakteen heuer so gar nicht aus dem Winterschlaf erwachen und ich mache dafür das Substrat verantwortlich, weil es das erste mal so ist und ich auch im Herbst das erste mal ein 'empfohlenes' Substrat genommen habe. Ich weiß auch nicht, was genau Du unter grieselich verstehst - für mich sieht es so aus, dass sich die Oberfläche des Substrats wie Beton anfühlt. Und das deswegen, weil eben die kleinen Teile des Substrats sich hervorragend zwischen den größeren Teile pressen im Laufe der Zeit - und dadurch entsteht mehr und mehr eine dichte Masse. Vermutlich auch deswegen, weil städtisches Gießwasser in der Regel sehr kalkhaltig ist und ich fürchte, dass eben genau dieser Kalk sukzessive die einzelnen Steinchen zusammen klebt. Und weiters ist meine Vermutung, dass genau das für das gesunde Wurzelwachstum hinderlich ist.
Es sollte auch Dir einleuchten, dass all das nicht unbedingt zu den optimalen Bedingungen zählt, die ein Kaktus oder eine sonstige Sukkulente braucht. Zu wenig Licht (noch dazu hinter der Scheibe), eingeengt in einem viel zu kleinen Topf, keine natürliche Feuchte von unten und auch noch hartes und kalkhaltiges Gießwasser. Klar, Du könntest jetzt argumentieren: Dann halte halt keine Kakteen oder Sukkulenten. Ja, das wäre eine Alternative. Aber will ich das?
So, und jetzt nochmal zu den Anfängern: Schau doch bitte mal die Realität an! Die allermeisten Anfragen von Neulingen zeigt doch deutlich, dass die Leute sich hinten und vorne nicht auskennen was die Pflege von Kakteen betrifft. Und wenn ich weiters beobachte, wie viele Leute sich hier ein zweites Mal melden mit Fragen, dann komme ich eher zum Schluss: Die meisten fühlen sich abgeschreckt von der Arbeit, die sie mit den Kakteen hätten, würden sie Eure Vorschläge umsetzen. Ich bin hier Pragmatiker. Wenn die Leute Kakteen halten wollen, dann versuche ich, eine Lösung zu finden, wo sich einerseits der Kaktus noch wohl fühlen kann und andererseits der Laie nicht überfordert ist. Mag sein, dass mein Zugang zu dieser Materie falsch ist - aber wie gesagt: Ich mache das bereits etwa 40 Jahre so und bin damit überaus erfolgreich. Ja, vielleicht bist Du erfolgreicher als ich, das möchte ich Dir gerne zugestehen. Aber unter meinen Bedinungen hole ich das Optimum raus, davon bin ich überzeugt.
Deswegen bin ich absolut der Meinung, dass gerade für einen Anfänger die humose Erde vom Baumarkt oder von den Planzengroßmärkten der beste Kompromiss ist. Sie filtert gut den schädlichen Kalk aus dem Gießwasser, sie hält das Wasser im Topf und führt dazu, dass die Pflanze auch unter widrigeren Bedingungen noch brauchbar gedeihen und sie macht die sonstige Pflege absolut problemlos, sodass man sich daran üben kann. Zumal ja in den großen Gärtnereien eh nur Kakteen gezogen werden, wo man schon sehr, sehr viel falsch machen muss, um ihn zu töten. Klar: es braucht weiterhin ein gewisses Mindesmaß an Wissen rund um die Pflege von Kakteen, aber das braucht man sowieso, egal welches Substrat man nimmt. Warum also nicht jenes Substrat nehmen, wo die Pflege am Problemlosesten ist?
Leider - und sorry, wenn ich das so sage - ist es auch hier so, dass die "Wissenden" immer davon ausgehen, dass Andere so sind wie sie selber. Ich habe das vor gefühlt ewigen Zeiten in Computerforen gesehen, wo jeder scheel angegangen wurde, der auch nur eine pragmatische Lösung präsentiert hat. Computerlösungen mussten damals exquisit sein, sonst war es langweilig. Und in Fotoforen ist es genauso: wenn einer mit seiner Kamera unzufrieden ist, kannst Du Dir sicher sein, dass man dem zu einem der Top-Modellen der 3 oder 4 großen Kamerahersteller rät, ohne überhaupt nachzufragen, weswegen er unzufrieden ist oder was ihm abgeht bei der Arbeit des Fotografieren. Wer nicht nach den ungeschriebenen 'Regeln' agiert, gilt als Außenseiter. Nö, da mache ich nicht mit. Mich interessiert in erster Linie das, was der Fragesteller möchte. Dazu braucht es mehr als nur zu sagen, welches Substrat in den Topf gehört. Ich hab auch schon Leuten abgeraten, Kakteen zu halten, weil die eigentlich nur ein Deko-Objekt gesucht hatten. Soll halt auf irgendeinem Möbelstück in der finstersten Ecke stehen. Aber dort hilft auch das beste Substrat nicht weiter. Die Menschen sind halt höchst unterschiedlich und darauf sollte man deutlich stärker eingehen als darauf, welches Substrat im Blumentopf ist.
Hmm ... nochmal sorry, aber das musste ich mir jetzt von der Seele schreiben!
Schönen Sonntag,
Herby